Einführung in die Ausstellung der Dortmunder Malerin Bettina Köppeler am 24. März 2019 im KunstSalon
Möglichkeiten der Bildrezeption |
„Kumma, sieht aus wie . . .“
oder
Wie man Bilder sehen kann - eine Möglichkeit der Bildrezeption
oder
Die Akzeptanz der eigenen Unzulänglichkeit entspannt das Verhältnis zu sich selbst. (Frank Berzbach)
Situation in einer Bilderausstellung: Erster Blick auf ein Bild. Spontaner Ausruf: „Kumma, sieht aus wie . . . !“ Sie Können sich alle vorstellen, was nun kommt: „Wie Gesicht!“, „Wie Schaf!“, „Wie Vatta!“ etc.. Bitte verbinden sie die letztgenannten drei Assotiationen nicht miteinander! - Auf jeden Fall ist es häufig so, dass etwas in Bildern gesehen wird, dass mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von der Künstlerin oder dem Künstler vorgesehen war.
Wie kommt es, dass etwas gesehen wird, obwohl es gar nicht gemalt oder gezeichnet ist? Hat das damit zu tun, dass das visuelle Unverständnis durch solche „Erkenntnisausrufe“ überdeckt werden soll? Oder ist‘s nur die geistige Faulheit, sich mit der Sache Kunst zu beschäftigen? Oder soll es gar mit Fachkompetenz aufschneiden? - Von allem möglicherweise etwas. Aber da wirkt noch was Anderes. Wahrscheinlicher mischt sich unsere über Jahre erworbene, situativ unterlegte Seherfahrung ein, die sich im Gehirn einfach mal verselbstständigt und, ob wir wollen oder nicht, Vergleiche zieht. Unser Gehirn macht sowieso gerne mal etwas, ohne zu fragen; nicht nur, wenn Wolken am Himmel ziehen. Dieser Prozess zeigt wie viele andere Aktionen im Gehirn, dass dieses uns gerne mal ungefragt Lösungen anbietet, um uns geistig auf die Sprünge zu helfen. – Genau das half wahrscheinlich in Steinzeitnächten, wenn etwas Schattenhaftes um die Höhle schlich, zu äußerst sinnvollen, wenn nicht lebenserhaltend Maßnahmen. Höhlenbären oder Säbelzahntiger fanden in der Steinzeit den Homo errectus (noch) ziemlich Appetit anregend. Aber auch beim Lösungssuchen von Problemen, besonders nachts, findet das Gehirn Wege, die wir, bei aller Grübelei tagsüber nicht entdecken konnten. Nett von ihm, nicht wahr?
So können wir also nichts dazu, dass unser Gehirn ungefragt eingreift und uns, was Bilder Sehen betrifft, auch auf falsche „Fährten“ führt. Unsere Seherfahrung und damit auch deren Verknüpfung mit Zusammenhängen schafft Möglichkeiten, die gerne angenommen werden, aber nicht unbedingt sinnvoll sein müssen. - Da wir aber, zumindest ab sofort, Souveränität über unser Gehirn beweisen werden, gucken wir uns, als wüssten wir noch nichts über das ins Auge genommene Bild, selbiges genauer an und verbieten der grauen Grütze da oben, sich ungefragt einzumischen.
Als erstes entspannen Sie sich und finden sich mit der eigenen Unzulänglichkeit in Sachen Kunst ab, es sei denn, sie sind eine Fachfrau bzw. ein Fachmann. - Naja, gerade die sollten häufiger entspannt sein und uns nicht hinter einer Nebelwand von Fachbegriffen im Unsichren tappen lassen.
Die erste Frage könnte sein: Was sehe ich? - Denken Sie dabei an die Gehirnsfalle. - Einfaches Aufzählen hilf: Farben, Formen, Flächen, erkennbare Dinge und, und, und. Welche Farben? Grün, blau, rot, gelb, schwarz . . . Wie sind die Farben miteinander kombiniert oder ist‘s nur eine Farbe? Gibt es Farben, die eine andere zum Strahlen bringt oder gar auslöscht? Durchmischen sich die Farben oder sind sie dominant? Sind grafische Elemente vorhanden oder ist der Ausdruck rein malerisch? Sind deutliche Formen eingearbeitet oder zeigen sich die Farben nur an sich? Steht Großes gegen Kleines? Sind eindeutig erkennbare Dinge eingearbeitet oder ist solches nicht erkennbar? Mit welchen Farben wurde gemalt? Haben sich Farben gegegseitig beeinflusst? Wurde gepinselt oder gespachtelt oder ist das nicht erkennbar? Sind helle Farben oder dunkle Farben oder beides verarbeitet worden und wie wirkt das? – Natürlich gibt es viel mehr Dinge, die man beim Bilder Ansehen und verstehen wollen, machen kann. Dennoch, das war schon eine Menge, die man sich ansonsten eher nicht antut.
Warum also nun dieser ganze Quatsch? - Sobald Sie das eben Beschriebene tun, haben Sie sich mit wesentlichen Anteilen des Malens und der Bildwirkung auseinandergesetzt, ohne gleich in eine Bewertungsfalle gelaufen zu sein.
Denn, inzwischen haben Sie sich, wenn sie das eben Genannte taten, durch sämtliche, nämlich 7 Kontraste der Farblehre gearbeitet. Und das will was heißen: Farb-an-sich-Kontrast (rot-gelb-blau), kalt-warm Kontrast (blau-rot), Qualitätskontrast (Sättigung, Intensität), Quantitätskontrast (große-kleine Flächen), hell-dunkel Kontrast, Komplementärkontrast (rot-grün; blau-orange; gelb-violett), bunt-unbunt Kontrast, Simultankontrast (gegenseitige Beeinflussung vonFarben). Und dann manchmal auch noch mehrere Kontraste zusammen – An dem Zeug habe sich Johannes Itten und Josef Albers schwer abgearbeitet, auf dass die Kunst Studierenden dem Nervenzusammenbruch nahekommen sollten. Kam ich auch.
Sollten Sie am Ende ihrer Analyse zu dem Schluss kommen, das Bild dennoch nicht verstehen zu können und meinen, sie seien zu blöd dazu, haben sie den Schritt getan, den vor einigen Jahren schon der Philosoph Platon seinen Sokrates sagen ließ: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Soviel Erkenntnis ist schon einen Sonntagmorgen wert. Diese Äußerungen des Sokrates in Platons (griechischem) Text besagt nur, dass er, Sokrates, sich des Umstandes bewusst sei, dass ihm Weisheit oder ein wirkliches, über jeden Zweifel erhabenes Wissen fehle (siehe Wikipedia). So kann dieses Nichts dann doch ganz schön viel sein. - fragen also Sie ungehemmt, wenn sie wollen, die anwesende Künstlerin, was diese Bilder möglicherweise darstellen sollen!
nach oben |
Vom Wert der Bildenden Kunst des Bernd Moenikes am 18. November 2018 im KulturSalon
Zum Wert der Bildenden Kunst des Bernd Moenikes |
Spontaner Ausruf: „Welch wunderbar gelungene Plastiken!“
Höflich sei es, den Künstler zu loben. - Denkste! Unhöflich ist ein solches Lob, wie das eben abgedrückte, weil es das künstlerische Werk nicht wertschätzt, indem es nämlich damit von Werten fahrlässiger Beliebigkeit spricht: schön, wunderbar, exzellent, einmalig usw. alles leere Wörter.
Nicht der Bonbon-Heiligenschein einer künstlerischen Erscheinung strahlt hier, sondern das ambitionierte und sich der Kritik stellende Tun des Künstlers Bernd Moenikes. Also nehmen wir ihn ernst, indem wir ihn in den Kontexte stellen, in dem er gearbeitet hat; immer der eigenen Kritik, aber auch der des Betrachters gestellt.
“Jeder Mensch ist ein Künstler.“ so Josef Beuys. Auch wenn seine christliche Menschenliebe hier geistige Purzelbäume schlägt und die Folgen, die seine Behauptung hatten . . ., na ja. Das hat er wohl so nicht gewollt. Dennoch, schon fühlte ein jeder Pinsel, der einen solchen besitzt, sich gleich noch als genialer Künstler. Blödsinn das! - Die soeben zitierte Beuyssche Behauptung nimmt dem Künstler, falsch verstanden, das Besondere, das Andere, was ihn tatsächlich von anderen Menschen unterscheidet; nicht abhebt, nicht besser macht, ihn aber auch angreifbar macht.
Bildende Künstler sind nicht nur durch Fleiß, Arbeit, Durchhaltevermögen, Intuition, Mühe und, was noch alles auf dem Werkweg liegt, zu dem gekommen, was ihr Tun, ihr Werk ausmacht. Sondern ihnen ist eine besonderen Fähigkeiten zueigen, dass sie erkennen und einzigartig darstellen können, wie Menschen sind, welche menschliche Eigenarten hervorgehoben werden müssen, um sie trotz manchmal bildnerischer Unkenntlichkeit dennoch zu erkennen; eben, wie Leute ticken und wie dieses besondere Hinsehen künstlerisch und emphatisch dargestellt wurde.
Das zeichnet die besondere Form des künstlerischen Tuns aus, wie auch das Material, mit dem sie arbeiten, scheints unbeabsichtigt das ausdrückt, was ein Ganzes, aber auch Besonderes ist; wie sie auch in ihrem Umfeld das Andere wahrnehmen und Brüche und Kanten, alles was Einfluss ausübt. Alles ihnen „Sichtbare“ annehmen und in ihrer Art verarbeiten.
Es steigert das positive Selbstbildnis dieser Künstler, dass sie neben aller Selbstkritik ein gutes Gewissen verspüren, wenn sie ihre Werke umsetzen. Zitat Wolfgang Ulrich: „Das gute Gewissen verbindet sich mit dem Werkstolz zu einer spezifischen Form der Lust - einer Lust, die man an sich selbst, am eigenen Handeln und Schaffen empfindet.“ (Zitatende aus dem Buch „Wahre Meisterwerke“.)
Die Frage an uns, die Kunstrezipienten ist, ob nicht auf dem Kunstmarkt der Berühmtheiten die Grundlagen unseres Kunst-Bewertungssystems derart in Unordnung geraten sind, da sie durch immer wieder verbreitete Surrogate wie formbare Werte ersetzt wurden. Beispiel: die geniale Malerei von N.N. übertrifft . . . . Das hundert Mal von Kunstwissenschaftlern Gesagte wird wahr, ohne tatsächlich wahr sein zu können; ein aus der Sprachpsychologie bekanntes Phänomen. Stellung beziehen, ohne auf vorgekaute, aber bewährte Ideologien zurückzugreifen, ist anspruchsvoll aber machbar. Und damit meine ich auch Sie, die diese Ausstellung besuchen.
Karl Kraus: “Handele dort, wo du handeln kannst.“ Das sollten wir uns auch nicht aus dem Geist nehmen lassen. Selber denken tut so weh nicht.
Scheinbares Wertebewusstsein von ästhetischen Phänomenen führt zu scheinbaren Sicherheiten, Rigidität, deren Sichtbarwerdung nichts anderes ist, als ein Vorurteil, dessen Begründung anmaßend und dumm ist. „Das ist wahre, richtige Kunst. Alles andere ist Mist.“ - Happig, nicht wahr?! - So liegt denn hier eine Kompostierung des Geistes vor, die zu einer ästhetischen Brunnenvergiftung führt und nicht zur Düngung einer lebhaften Kunstkultur. - Bilder, Skulpturen, bildnerische Kunstwerke werden dann mal gerne schon im Vorhinein ausgemustert, weil sie einer einseitigen ästhetischen, stilistischen Qualität nicht entsprechen, ohne auch nur annähernd die Frage nach einem Was, Warum und Wieso zu stellen.
Was hat das bislang Gesagte mit diesen hier ausgestellten Kunstwerken und deren Erschaffer zu tun?
Zur Wertschätzung, zum Wertbewusstsein dieser Ausstellung gehört kein Katalog aktueller Kunststile oder Einstufung von pekuniärem Wert des Ausgestellten durch die Zeitschrift Capital, sondern ein offenes Auge für die Einmaligkeit und Besonderheit der hier ausgestellten Artefakte. Artefakte sind nicht Dinge, die aus Versehen oder Unfähigkeit so hergestellt wurden, wie sie eben sind, sondern die aus einem tiefen Verständnis für Menschliches, für Wissen um den Menschen als im Sozialen lebender Teil dieser Sozialität innerhalb der erlebten, ertragenen und mitgestalteten Umwelt. - Jetzt mal ganz einfach: Dort, wo ich lebe, arbeite, lache und leide, bin ich Künstler. Wenn das fehlt, ist das sogenannte Kunstwerk nichts anderes als am Zeitgeist orientiertes Kunstgewerbe.
Warum ich das sage?
Es kotzt mich an, dass sich aus Zeitgeist, Unkenntnis, grassierender Nachbeterei und Vorgaben sogenannter Fachmenschen fortwährender Betrug an der Hilflosigkeit, der nach geistiger Einrichtung suchenden Kunstanalphabeten vergangen wird.
Nehmen Sie sich ihres Mutes an, sehen Sie, was Sie unschwer hier können. Schließen Sie Ihre Augen, ihr Herz, ihren Mut, vielleicht auch ihre Geldbörse auf und denken oder sagen Sie: „Jau, dat isset. Dat will zu mir. Und ein Plätzken werd ich schon finden.“ - Ende der Werbedurchsage.
Nein, ich bin noch nicht am Ende. Geht noch weiter.
Was diese Ausstellung so besonders macht?
Die Plastiken des Bernd Moenikes wurden in einem Kontext geschaffen, zu dem schon seit Jahren der Klimawandel und dessen Folgen gehören, indem er bildhauerisch auf die Sünden gegenüber der Umwelt weist und dabei das Menschsein nicht vergisst.
Bei Bernd ist das Holz- und Bronze Gewordene, auf die äußerste Notwendigkeit reduzierte Form, den natürlichen Wachstumsprozess des Holzes nachempfindend und der künstlerisch nachgestaltende Ausdruck sowohl in irritierender Fremdheit und gleichzeitiger Bekanntheit und Nähe findend, so dass man die Plastiken am liebsten anfassen möchte. - Das bitte nur mit Genehmigung des Künstlers.
Mich erinnern seine Skulpturen oft an die Werke ägyptischer Künstler aus der Zeit des Pharaos Echnaton (Gatte von Nofretete), eine Zeit, in der der Eingottglaube befohlen wurde. Unter diesem Einfluss entstanden neue, grandiose Kunstwerke neben dem Umstand, dass mal eben eine neue Hauptstadt gegründet wurde – und später bei der Gegenreform wieder verlassen wurde. Die kleinen Köpfe auf den monumentalen Steinskulpturen finden sich in den Holzskulpturen mit den Bronzeköpfen in ähnlicher Form wieder Gestaltungs-zusammenhänge sind auffällig.
Nun sind sie also gefordert, die Werke wahrzunehmen oder anzunehmen als einen zweiten für den Künstler wichtigen, auch notwendigen Prozess, nämlich der Wirklichkeitswerdung im Betrachter, ein wichtiger Prozess der Realisation einer künstlerischen Idee im Verstehen durch andere. Manchmal entsteht dabei - Ich warne davor! - der nicht mehr zu bekämpfende Wunsch, ein Kunstwerk in seiner Nähe zu haben und zu halten. Keine Sorge, das geht.
nach oben |
Exkurs über das Wort bedeutend und Günter Rückert selbstzweit am 27. Mai 2018 im KulturSalon |
Lesehinweis: Alle unterstrichenen Wörter sind unter dem Verb bedeuten im Mackensen (Deutsches Wörterbuch) verzeichnet.
Angeblich gibt es ziemlich viele bedeutende Menschen. Wer‘s glaubt. Sogar Künstler sollen darunter sein. Dem will ich auf den Grund gehen.
Günter Rückert ist nachweislich Künstler, denn er ist Mitglied in der Künstlersozialversicherung. Das macht ihn schon mal für meine Betrachtung vertrauenswürdig. – Was bedeutet nun bedeutend? Nehme ich mal den großen Mackensen (Deutsches Wörterbuch) zur Hand. Bedeuten heißt soviel wie versinnbildlichen, darstellen. Au ja! Günter stellt andauernd was dar. Bekloppte, Durchgeknallte, Spinnerte usw. also völlig normale Menschen. Was bedeutet das nun wieder? Offensichtlich findet er die Ruhrgebietsgewächse so bedeutend, dass er sie deutet und uns sie zu verstehen gibt, indem er sie durch Bilder erklärt. Manchmal klappt das nicht so ganz. Dann schreibt er die Bedeutung auf das Bild. Machts leichter. Robben wir uns mal näher an das Wort bedeutend heran! Gewichtig sind seine Bildinhalte und umfangreich sein Oeuvre. Er haut als Maler und Grafiker ran, dass es nur so eine Art ist. Bringt uns aber nicht näher ran. Aber mir bedeutet Rückert was, nämlich viel, weil ich ihn und seine Bilder mag, die ja ziemlich viel Bedeutung enthalten. Seine Frau Sylvia mag ich auch. Das macht es schon leichter, weil die weiß, was das bedeutet, was er weiß. Wenn nicht, weiß sie es trotzdem. Und er widerspricht nicht. Sonst, wehe! Wird Günter dadurch bedeutend? „Ja sicha.“, würde jetzt Fritz Eckenga sagen. Wenn er, der Günter mir viel bedeutet, ist er doch wohl bedeutend oder etwa nich? Macht er mit seiner Kunst bedeutende Geschäfte wie der Richter Gerhard? Nee! Einundvierzig Millionen Euros für dessen buntes Kratzbild sind zwar eine bedeutende Summe. Aber ob der deswegen bedeutend ist? Entscheide ich mal nicht. Dafür sind Günters Bilder ziemlich vielsagend, was, wie ich finde, ihn und seine Bilder bedeutend macht. Ihr Gehalt, ihr Wert und Rang als Kunstwerke steht auf jeden Fall jenseits jeglicher Fragen. Mir fällt dazu auch keine mehr ein. Folglich ist Günter Rückert ein bedeutender Künstler. Und dabei bleib das und ich. Das mit der Bedeutung von Gerhard Richter überlege ich mir noch mal . . ., wenn ich für sowas Lust habe.
nach oben |
Werte in der Bildenden Kunst - "Fischköppe & Kampfhasen"
zur Aussstellungseröffnung September 2018 im Torhaus Rombergpark, Moenikes + Rückert |
Welch schöne Bilder! Welch gelungene Plastiken!
Höflich ist‘s, den Künstler zu loben. - Denkste! Unhöflich ist ein solches Lob, weil es das künstlerische Werk nicht wertschätzt, weil es nämlich damit von Werten, fahrlässiger Beliebigkeit spricht: Schön is . . .
Nicht die Heiligenscheine dieser zwei künstlerischen Erscheinung strahlen hier, sondern das ambitionierte und sich der Kritik stellende Tun zweier Künstler wie Bernd Moenikes und Günter Rückert. Also nehmen wir sie ernst, indem wir sie in die Kontexte stellen, in denen gearbeitet wurde, immer der eigenen Kritik, aber auch der des Betrachters gestellt. Hinzu kommt, dass sie zusammengekommen sind, um diese Ausstellung gemeinsam zu erarbeiten, was besonders deutlich wird in den ebenfalls gemeinsam gestalteten Dortmunder Menschen, Leuten, Ruhries. Dazu später mehr.
Achtung! Hier jetzt eine Künstlerschlachtung: “Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Zitat Josef Beuys. Was für ein Quatsch! - Doch, er hat das gesagt. Und schon fühlte jeder Pinsel, der einen solchen besitzt, sich gleich noch als genialer Künstler. Blödsinn das! - Nein, über soziale Kunstwerke werde ich kein Wort verlieren. Diese soeben zitierte Beuyssche Behauptung nimmt dem Künstler das Besondere, das Andere, was sie vor anderen Menschen in einem sicherlich definierten Gebiet auszeichnet, aber auch angreifbar macht. Sie sind nicht nur durch Fleiß, Arbeit, Durchhaltevermögen, Intuition, Mühe und was noch alles auf dem Werkweg liegt, zu dem gekommen, was ihr Tun, ihr Werk ausmacht. Sondern ihnen ist eine besonderen Fähigkeiten zueigen, dass sie erkennen und einzigartig darstellen können, wie Menschen sind, welche menschliche Eigenarten hervorgehoben werden müssen, um sie zu erkennen; eben, wie Leute ticken; und wie sie dieses Hinsehen künstlerisch darstellen können.
Das zeichnet die besondere Form des künstlerischen Tuns aus, wie auch das Material, mit dem sie arbeiten, scheints unbeabsichtigt, das ausdrückt, was ein Ganzes, aber auch Besonderes ist; wie sie auch in ihrem Umfeld das Andere wahrnehmen und Brüche und Kanten, alles was Einfluss ausübt, annehmen und in ihrer Art verarbeiten.
Es steigert das positive Selbstbildnis dieser Künstler, dass sie neben aller Selbstkritik ein gutes Gewissen verspüren, wenn sie ihre Werke umsetzen. Zitat Wolfgang Ulrich: „Das gute Gewissen verbindet sich mit dem Werk stolz zu einer spezifischen Form der Lust - einer Lust, die man an sich selbst, am eigenen Handeln und Schaffen empfindet.“ (Zitatende aus dem Buch Wahre Meisterwerke.) Ulrichs Bücher über Kunst und die sogenannte Kunstszene kann ich Ihnen äußerst warm, also eher heiß empfehlen.
Die Frage an uns, die Kunstrezipienten ist, ob nicht die Grundlagen unseres Kunst-Bewertungssystems derart in Unordnung geraten sind, da sie durch Surrogate wie formbare Werte ersetzt wurden. - Stellung beziehen, ohne auf vorgekaute, aber bewährte Ideologien zurückzugreifen, ist anspruchsvoll, aber machbar. Und damit meine ich Sie, die Ausstellungsbesucher.
Ein anderes Zitat, diesmal von Karl Kraus: “Handele dort, wo du handeln kannst.“ Das sollten wir uns nicht aus dem Geist nehmen lassen. Selber denken tut so weh nicht.
Sich ausschließlich zu einer bestimmten Stilrichtung der bildenden Kunst zu bekennen, bedeutet gleichzeitig, sich zur Kunsterblindung zu bekennen. So kommt es zu einer ästhetischen „Ernährungsumstellung“, die nur einseitige, eingeschränkte und rigide Wertzuordnung postuliert. Bitte entschuldigen Sie: Scheiße aus biodynamischer Ernährung ist auch dort das einzig akzeptable Verdauungsprodukt. Unser Denken sollte nicht auf solch zumeist anrüchige Produkte fixiert sein. Josef Albers, ein genialer Langweiler der Kunstszene - insbesondere für Kunststudenten - hat (dennoch) eine Tür zu kunstästhetischen Erkenntnissen aufgestoßen und wurde in der heutigen Kunstszene zugenagelt, wenn ich seine Epigonen richtig verstehe. Die eigene ästhetische Identität, in einem einzigen Kunststil zu verorten, bedeutet, einer rezeptionalen Erblindung Vorschub zu leisten und sich damit in interkategorialer Erblindung der künstlerischen Vielfalt zu verweigern. - Wer als Künstler monochrom arbeitet, ist in der allgemeinen „Kunstwertschätzung“ (heute) per se ein großer Künstler. Informelles ist, noch so dumm kombiniert, große Kunst, wenn die kunstwissenschaftliche Heiligsprechung durch Doktor- oder Professor-Titel geadelter Klugscheißer manifestiert wird. - Informelles hat dennoch Vielfalt auch außerhalb des Strukturalismus.
Scheinbares Wertebewusstsein von ästhetischen Phänomenen führt zu scheinbaren Sicherheiten, Rigidität, deren Sichtbarwerdung nichts anderes ist, als ein Vorurteil, dessen Begründung anmaßend und dumm ist. „Das ist wahre, richtige Kunst. Alles andere ist Mist.“ - Happig, nicht wahr?! - Naja, so liegt denn hier eine Kompostierung des Geistes vor, die zu einer ästhetischen Brunnenvergiftung führt und nicht zur Düngung einer lebhaften Kunstkultur.
So werden Bilder, Skulpturen, bildnerische Kunstwerke schon im Vorhinein ausgemustert, weil sie einer einseitigen ästhetischen, stilistischen Qualität nicht entsprechen, ohne auch nur annähernd die Frage nach einem Was, Warum und Wieso zu stellen.
Sie werden merken, dass ich mich so langsam aber sicher dem Pott nähere, auf den ich sie setzen möchte.
Namen von derzeit hoch, sehr hoch gehandelten Künstler, die auf ihren eigenen faden Wellen schwimmen und sich dabei dumm und dämlich verdienen, werde ich nicht nennen, auch um nicht ins Neidzimmer eingesperrt zu werden.
Was hat das bislang Gesagte mit diesen hier ausgestellten Kunstwerken und deren Erschaffern zu tun?
Zur Wertschätzung, zum Wertbewusstsein dieser Ausstellung gehört kein Katalog aktueller Kunststile oder Einstufung von pekuniärem Wert des Ausgestellten durch die Zeitschrift Capital, sondern ein offenes Auge für die Einmaligkeit und Besonderheit der hier ausgestellten Artefakte. Artefakte sind nicht Dinge, die aus Versehen oder Unfähigkeit so hergestellt wurden, wie sie eben sind, sondern die aus einem tiefen Verständnis für Menschliches, für Wissen um den Menschen als lebender Teil einer Sozialität innerhalb einer ausgeprägten Umwelt. - Jetzt mal ganz einfach, wie das hier wohl in Dortmund klingt: „Da, wo ich von komme, bin ich sowas von drin, dass es mir weh tut aba auch gut is.“ Wenn das fehlt, ist das sogenannte Kunstwerk nichts anderes als am Zeitgeist orientiertes Kunstgewerbe.
Warum ich das sage?
Es kotzt mich an, dass sich aus Zeitgeist, Unkenntnis, grassierender Nachbeterei und Vorgaben sogenannter Fachmenschen und ähnlichem Gesocks fortwährender Betrug an der Hilflosigkeit, der nach geistiger Einrichtung suchenden Kunstanalphabeten vergangen wird. Nehmen Sie sich ihres Mutes an, sehen Sie, was Sie unschwer hier können. Schließen Sie Ihre Augen, ihr Herz, ihren Mut, vielleicht auch ihre Geldbörse auf und denken oder sagen Sie: „Jau, dat isset. Dat will zu mir. Und ein Plätzken werd ich schon finden.“ - Ende der Werbedurchsage.
Nein, ich bin noch nicht am Ende. Geht noch weiter.
Was diese Ausstellung so besonders macht, wie ich am Anfang behauptete, ist, dass diese beiden Künstler, die sich schon viele Jahre kennen, es geschafft haben gemeinsam eine Ausstellung zu konzipieren, ohne die zu einem Nebeneinander verkommen zulassen, sondern mit gemeinsam Geschaffenen zu adeln. - Oh Gott, jetzt auch noch Hochadel, nein! - Die Holzplastiken des Bernd Moenikes wurden in unglaublicher Arbeitswut - aus einem paar wurden viele - geschaffen, um von Günter Rückert nach Ideen aus seinen Skizzenbüchern bezeichnet bzw. bemalt zu werden. Jede/jeder dieser Leute ein Erlebnis. Eine solche Zusammenarbeit ist außergewöhnlich, meint man doch stets, Künstler seien Egozentriker, einsame Wölfe oder gar Heroen des Künstlerolymps.
Nein, das sind sie ganz sicher nicht. Sie zeichnet aus, dass sie nicht vergessen haben, woher sie stammen und das ist in ihrem Tun sichtbar: bei Günter sind es die Typen aus z. B. Dortmund Asseln und anderen Vororten in ihrer Eigenartigkeit, Splienigkeit und auch Blödheit; stets liebevoll und deutlich, auch überdeutlich dargestellt, nie boshaft; na ja manchmal schon ein bisschen. Ein Dortmunder Kosmos.
Bei Bernd ist das Holz- und Bronze Gewordene, auf die äußerste Notwendigkeit reduzierte Form, den natürlichen Wachstumsprozess des Holzes nachempfinden und der künstlerisch nachgestaltende Ausdruck sowohl in irritierender Fremdheit und gleichzeitiger Bekanntheit und Nähe findend, so dass man die Plastiken am liebsten anfassen möchte. - Das bitte nur mit Genehmigung des Künstlers.
Nun sind sie also gefordert, die Werke wahrzunehmen oder anzunehmen als einen zweiten für den Künstler wichtigen, auch notwendigen Prozess der Wirklichkeitswerdung im Betrachter, ein wichtiger Prozess der Realisation einer künstlerischen Idee im Verstehen durch andere. Manchmal entsteht dabei - ich warne davor - der nicht mehr zu bekämpfende Wunsch, ein Kunstwerk in seiner Nähe zu haben und zu halten. Keine Sorge, das geht.
Wenn Sie noch etwas über die Bilder und Skulpturen wissen wollen, fragen Sie die Künstler. Gerne stehen sie Ihnen zur Verfügung.
Jetzt bin ich wirklich durch und gebe ihnen noch einen Gedanken für den Heimweg mit:
„Die Manifestation eines Wertes ist nichts anderes als ein expressionistisches Kunstwerk“, so der österreichische Philosoph Scheler. Mit meinen Worten: Et musste raus. - Etwas fraulicher: Die Geburt eines Kunstwerkes.
nach oben |
Gedanken zur Kunstproduktion, -präsentation, -rezeption |
Künstler sind Sieger, wenn sie der Siegerkunst zugehören. Ihr Marktwert wird in der Zeitschrift Kapitel wie die Börsenkurse abgehandelt. Siegerkunst kostet viel, sehr viel und hat mit dem (ehemals) herkömmlichen Kunstbegriff nicht zu tun. Allein der Marktwert ist entscheidend. Originalität und Individualität sind eher hinderlich. Allein der Markt und seine Gesetze entscheiden, wer dem Kreis der Siegerkünstler angehört und wer nicht. Derzeit entfernt sich das Produkt Kunst vom Künstler ins Unkenntliche. (Ausbeuterisch geführte) Werkstätten arbeiten oft so, dass der Künstler bei der Ausstellungseröffnung sein Werk erstmalig sieht, präsentiert und akzeptiert. Seine Anwesenheit im Prozess ist unnötig, da „sein Geist sowieso über allen Dingen schwebt“.
Die Geldsummen, welche in Kunst angelegt werden, sind über Jahrzehnte die Gleichen geblieben; beschränken sich allerdings mittlerweile überwiegend auf die Sieger-Künstler. Bedeutet, dass immer weniger Künstlerinnen und Künstler von ihrer Kunst leben können.
Künstler, die nicht der sogenannten Siegerkunst angehören, werden zunehmend als bedeutungslos angesehen. Ihr Tun wird in das Arbeitsfeld Dienstleistungen verwiesen.
Da ein jeder Mensch ein großes (größeres) kreatives Potenzial (siehe Beuys) hat, ist die Auseinandersetzung mit anderen Kreativen nicht mehr nötig, da ja ein jeder kreativ ist und dadurch der Diskurs auf an sich fruchtlose Selbstgespräche verwiesen wird. Somit sind dann auch deren Produkte, wenn noch zumutbar, im Gebiet des Designs, des Kunsthandwerkes angesiedelt. Sie entbehren des Anspruches auf Besonderheit und dadurch auf einen hohen Preis.
Noch auszumachende Künstler degenerieren zur “Muse“, sind Matrizen für in Kursen zur Kunst findenden „Sowiesokreativen“ (Hobbykünstler). Folglich sind sie Dienstleister für Kreativitätsbedürftige. Sie verschleudern ihre Kräfte, um andere zu stimulieren. Das führt dazu, dass die Distanz zum Kunstschaffenden sich auflöst und deren Stufe im Sinne von Gleichsein eingeebnet wird. Somit können alle Möchtegernkreativen hemmungslos bei entsprechender Eloquenz sich über die Werke der tatsächlich Kreativen tiefschürfend auslassen. Das führt nicht selten dazu, dass Künstler jeglichen Geldhahn ergreifen, sich in die gewünschte Produktrichtung biegen oder sich dem kargen Markt verweigern.
So kommt es zunehmend - im Bereich der Siegerkunst gar zwangsläufig - dazu, dass nicht mehr das Werk, sondern die Inszenierung des Siegers Werk ist. Diese Künstler sind spirituelle Varianten von Motivationstrainern. Das individuelle Werk verkommt zusehends zu einer ungesteuerten Inszenierung einer, wie auch immer gearteten Werkstatt.
Gesamtwerksverzeichnisse werden deshalb obsolet, da deren widersprüchliche Vielschichtigkeit durch leicht fassbare Stilzuordnung nicht mehr auszumachen ist. Genau das ist ein Zeichen von Siegerkunst. Deren Stil ist die Stillosigkeit.
Wer formale und inhaltliche Ähnlichkeiten, wer eine kohärente und kontinuierliche Entwicklung auch über Stilbrüche hinweg aufweist, wessen „Handschrift“ erkennbar ist, gehört wohl in ein anderes Jahrhundert.
Hobbykünstler sind Hersteller von Artefakten, die vorgeben, Artefakte zu sein, aber keine sind.
Aufgrund der vielen Ausstellungen all der sich selbst als Künstler generierenden Menschen ist es nicht mehr möglich, das Gesamt zu rezipieren. Die Aufmerksamkeit gemessen an der Produktivität der “Kreativen“ ist überfordert. Ein Kulturinfarkt ist die Folge. Unbedingtes originell sein Wollen ist demnach eine peinliche Art und Weise der Selbstbehauptung.
Offene, nicht mehr zuordenbare Form gelten als Zeichen der Zeit. Eine eigene „Handschrift“ zu haben, ist zwar putzig aber unökonomisch.
Einige scheinbar Unermüdliche lassen sich immer noch und beharrlich auf Vernissagen sehen, nicht um Kunst oder neues Kreatives zu erleben, sondern um sich zu erleben und damit ihrem Selbstwert eine weitere Steigerung hinzuzufügen. Nicht der Anlass ist wichtig, sondern das den Anlass wahrgenommen zu haben, gesehen zu werden, als Mitgliede der Kunstgemeinde verortet zu werden. So sind auch die, welche die Künstlerin, den Künstler und deren Werke „erklären“ können, Teil des fatalen Prozesses, der der Kunst nur noch als Design, Staffage bedarf. Wichtigkeiten entstehen in diesen Ritualen, während die Kunst im Hintergrund als Tapete fungiert.
Was tun, als jemand, der sein künstlerisches Tun über alle Selbstzweifel hinweg über Jahre als immerwährenden Selbstversuch sieht? Weitermachen? Dem Affen Zucker geben? Verzweifeln? Und doch! – Es wird sicherlich Zeiten geben, in denen das heutige Kunsttheater obsolet wird. Dann kann man sich als dann schon Toter halt im Jenseits freuen, so es das gibt.
Medienkritik
Im Internet grassierende Fotos von Bildern (z.B. auf Homepages) sind nicht die Bilder selber und stellen sie nur sehr unzureichend dar, da Größe, Farbe, Textur und Geruch eines hundertfach größeren Bildes nicht dasselbe Erleben darstellen, wie das Bild auf dem Monitor. Dennoch wird dieses Medium nicht selten dem Museumsbesuch vorgezogen.
Johannes Kimmel-Groß im März 2017
nach oben |
Warum soll den gerade ich malen? (Satire)
Ein mehr oder weniger geistloses Interview doch mit einigen Tiefen - Überlegungen zu einem ernsten Thema
oder Ernste Überlegungen zu keinem Thema
|
N: (Interessiert) Haben Sie das gemalt?
K: (patzig) Nee, ich zeichne.
N: (insistierend) Das sind doch gemalte Bilder.
K: (mürrisch) Ja, das stimmt.
N: (interessiert) Warum haben Sie das gemalt?
K: (frech) Ich hatte eben zu viel Farbe.
N: (ernsthaft) Das ist doch kein Grund Bilder zu malen.
K: (scheinbar sachlich) Stimmt, ich hätte ja auch das Schlafzimmer anstreichen können.
N: (wissend) Haben Sie doch auch.
K: (belehrend) Ja, stimmt, aber nicht wegen zu viel Farbe.
N: . . . Verdammt noch mal!
K: Bitte, Haltung bewahren!
N: Ist doch war! Sie beantworten meine Fragen nicht.
K: Stimmt!
N: Also, warum?
K: Weil ich gerne mal was anderes wollte als zeichnen.
N: Dann hätten sie Regenwürmer sezieren können, wenn sie nicht zeichnen wollten.
K: Stimmt auch wieder.
N: kennen Sie vielleicht ein paar bessere Antworten?
K: Schon.
N: Na, dann . . .
K: Also ich male, weil mein Zeichnerisch immer so dreckig ist.
N: Bitte was?
K: Nun ja, ich bin derartig schludrig, dass beim Zeichnen vieles daneben geht. Deshalb sind viele Spuren auf dem Zeichentisch. Wenn ich Bilder für einen Rahmen zurechtschneide, ist die ganze Tischplatte vermackelt. Das drückt sich beim Zeichnen durch . . . Was dann? Ich gucke mir die Sauerei an und entscheide, dass ich die nicht zeichnen kann. Und dann male ich. Klar, nicht?
N: Nee, . . . Man könnte es auch fotografieren und im PC bearbeiten und . .
K: Das geht schon, aber nee, für mich nicht. Ich zeichne ja, wie am Anfang gesagt.
N: Nein, sie malen doch.
K: Wo sie es sagen. Ist mir gar nicht aufgefallen. Aber eigentlich zeichne ich.
N: Quatsch, sie malen bzw. haben das da gemalt. Sieht man doch.
K: Ja?
N: Klar, sogar ich!
K: Gut, überzeugt.
N: Und jetzt? Anfangsfrage: Haben sie das also tatsächlich gemalt?
K: Ich male nicht. Ich zeichne.
N: Es hat irgendwie keinen Zweck. - Wenn jemand malt, nimmt er einen Pinsel und Farbe und schmiert das irgendwie auf eine Leinwand. Was da rauskommt, nennt man Bild.
K: (nachdenklich, zögerlich) Hm, ja.
N: Wenn nix rauskommt, ist das Schrott.
K: Stopp ma!
N: Wieso Stopp?
K: Wenn es Schrott ist, kann man doch wohl kaum von Bild sprechen?
N: Hab ich das?
K: Worüber sprechen wir denn hier und jetzt?
N: (ziemlich laut) Übers Malen!!!
K: Ach ja! (nickelig leise) Ich zeichne aber doch!
N: könnten wir jetzt mal über was anderes reden oder vielleicht mit dem Reden ganz aufhören?
K: Sachich doch.
N: Der muss immer das letzte Wort haben.
K: Sachich doch.
N: Fresse!!!
K: (grummelnd) . . . . .
nach oben |
Dr. Thoas Wachtendorf: Laudatio zur Ausstellung "Schwarz ist bunt"
von Johannes Kimmel-Groß,
März 2017 |
|
Verehrte Gäste,
es ist mir eine große Ehre, heute hier die Ausstellung von JKG eröffnen zu dürfen, den ich nicht nur als Künstler sehr schätze.
Normalerweise allerdings eröffne ich keine Ausstellungen und schon gar nicht halte ich Einführungen auf Vernissagen, denn nur bei wenigen anderen Gelegenheiten werden mehr fragwürdige Dinge gesagt als bei diesen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum Johannes mich darum gebeten hat, denn bei mir besteht nicht die Gefahr, dass ich über ihn spreche oder gar versuche, sein Werk zu interpretieren.
Ich halte mich nämlich streng an ein Wort Heideggers, demzufolge man über Personen, um deren Werk es geht, nicht mehr sagen solle als, sie wurden geboren, lebten und, gegebenenfalls, starben. Das Werk muss für sich selbst sprechen!
Johannes hat also nicht zu befürchten, dass ich mich nun in eine dieser grotesken Vernissage-Werkinterpretationen versteige, wie sie Hape Kerkeling oder Loriot hinreichend und abschließend bloß gestellt haben.
Stattdessen möchte ich einer Frage nachgehen, die sehr im Interesse Johannes' liegt und die zu diskutieren er sich gewünscht hat.
Es ist die Frage, wie es überhaupt soweit kommen konnte, dass es analog zum Literaturbetrieb, der ja ständiger Streitgegenstand ist, auch einen Kunstbetrieb gibt, der solche Kapriolen hervorgebracht hat.
(Beispiel Musiker in der U-Bahn. Beispiel Klatschen im klassischen Klavierkonzert.) Es fehlt also an Urteilskraft. Dies ist ein wesentlicher Zug der überindividualisierten Moderne.
Was soll aber beurteilt werden?
Überraschenderweise gibt es dazu interessante Ausführungen von Wolf Singer, einem Neurowissenschaftler. Zwar haben die Neurowissenschaften bisher zu geisteswissenschaftlichen Fragestellungen — insbesondere denen der Philosophie des Geistes — außer "bunten Bildchen", wie einer ihrer prominentesten Vertreter, Gerhard Roth, unlängst eingestanden hat, nichts beigetragen. Immerhin bestätigt Singer aber sehr konzis und anschaulich, was Semiotiker wie Peirce bereits vor über 100 Jahren begründet haben: Das menschliche Sein beruht auf Symbolen.
„Wie oben dargelegt, verfügen komplizierte Gehirne, insbesondere das des Menschen, über die Fähigkeit, Vorgänge, die in ihnen selbst ablaufen, zum Gegenstand kognitiver Prozesse zu machen. Auf diese Weise kann eine praktisch unbegrenzte Sequenz von iterativen Reflexionen eingeleitet werden. Zwischen- und Endergebnisse solch reflexiver kognitiver Prozesse können externalisiert und anderen Gehirnen wiederum als Gegenstand für deren kognitive Prozesse verfügbar gemacht werden. Diese Möglichkeit, das Ergebnis kognitiver Prozesse anderen Hirnen mitzuteilen, erfährt beim Menschen aufgrund seiner erweiterten Fähigkeiten zur symbolischen Repräsentation bereits abstrakt kodierter Beziehungen eine explosionsartige Vermehrung der Zahl und Art möglicher Inhaltsträger. [...] Ein Teil der externalisierten Inhaltsträger reflexiver Prozesse wird von uns als Kunst bezeichnet. [...] Unabhängiges Attribut dessen, was wir als künstlerische Leistung bezeichnen, scheint mir [...], daß über einen reflexiven Prozeß neue Bezüge entdeckt und diese durch symbolische Kodierung verdichtet werden. Hierdurch werden neue Wirklichkeiten erzeugt." (Wolf Singer, der Beobachter im Gehirn)
Ernst Cassirer hätte es in seiner "Philosophie der symbolischen Formen" nicht besser ausdrücken können.
In der Kunst geht es also um Symbole! Die Kunst zeigt, wenn man so will, probeweise Zusammenstellungen der Wirklichkeit. Diese zu produzieren und zu erkennen setzt aber eine Kompetenz in (mindestens) Politik, Wissenschaft und Kultur voraus, die in der Moderne zusehends abnimmt.
Man sieht dies sehr schön am Begriff der Kreativität.
Das Business-Portal „XING" hat einmal untersucht, mit welchen Begriffen sich dessen Nutzer selbst apostrophieren. Weit abgeschlagen auf Platz eins fand sich Kreativität! Die Deutschen, ein Volk von Kreativen!
Auch hat Beuys, den ich sonst sehr schätze, den Fehler gemacht, zu behaupten, jeder sei kreativ. In demselben Geist hat Karl Popper, den ich sonst ebenfalls sehr schätze, behauptet, jeder sei ein Philosoph.
Wenn ein Begriff aber auf alle Entitäten zutreffen soll, verliert er seine Trennschärfe. Es gibt keine Nichtkreativität mehr — der Begriff wird bedeutungslos.
Umgekehrt folgt daraus auch, dass alles Kunst sei. Kunst wird dadurch beliebig. Damit wird zugleich die Auseinandersetzung mit anderen Kreativen, deren Positionen und der Welt im Allgemeinen nicht mehr nötig, da ja ein jeder kreativ ist und dadurch der Diskurs auf an sich fruchtlose Selbstgespräche verwiesen wird. Genau dies ist der Geist der plappernden, aber nicht mehr redenden Moderne. Jeder kommuniziert, aber niemand sagt mehr etwas.
Alles ist Kunst, jeder ist ein Künstler. Das ist selbstverständlich ein möglicher, wenngleich aber auch ein unsinniger Standpunkt.
Für den so genannten Kunstbetrieb heißt das in der Konsequenz, dass künstlerischer Anspruch oder Niveau nicht mehr das Kriterium der Kunst ist, sondern etwas Anderes.
Dieses andere ist der Marktwert, der gern anstelle der eigenen Urteilskraft gesetzt wird: Was viel kostet oder in Museen hängt, muss ja Kunst sein, sonst würde es ja nicht viel kosten oder in Museen hängen — so der gängige Fehlschluss (eine Tautologie). Die Künstler, die viel kosten oder in Museen hängen, sind dann am Ziel ihres Schaffens, sie sind die Sieger. Siegerkünstler, wie der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich sie nennt. Ein Autor, den JKG sehr schätzt.
Siegerkunst kostet viel, sehr viel und hat mit dem vormaligen Kunstbegriff nichts zu tun. Allein ihr Marktwert ist entscheidend. Originalität und Individualität sind eher hinderlich. Allein der Markt und seine Gesetze entscheiden, wer dem Kreis der Siegerkünstler angehört und wer nicht. Derzeit entfernt sich das Produkt Kunst vom Künstler ins Unkenntliche.
Auf der anderen Seite werden Künstler, die nicht der sogenannten Siegerkunst angehören, zunehmend als bedeutungslos angesehen. Ihr Tun wird in das Arbeitsfeld der Dienstleistungen verwiesen.
Noch auszumachende Künstler degenerieren dann zur "Muse", sie sind Matrizen für in Kursen zur Kunst findende "Sowiesokreative" (Hobbykünstler), folglich Dienstleister für Kreativitätsbedürftige. Sie verschleudern ihre Kräfte, um andere zu stimulieren. Das führt dazu, dass die Distanz zum Kunstschaffenden sich auflöst und deren Stufe im Sinne von Gleichsein eingeebnet wird. Somit können alle Möchtegernkreativen hemmungslos bei entsprechender Eloquenz sich über die Werke der tatsächlich Kreativen tiefschürfend auslassen.
Künstler müssen, um überleben zu können, unbedingt siegen, das heißt, sie müssen auf das richtige Pferd setzen, um dieses Bild zu bemühen. In der Folge kommt es im Bereich der Siegerkunst zwangsläufig dazu, dass nicht mehr das Werk, sondern die Inszenierung des Siegers das eigentliche Werk ist. Das individuelle Werk verkommt zusehends zu einer fremdgesteuerten Inszenierung.
Wer formale und inhaltliche Ähnlichkeiten, wer eine kohärente und kontinuierliche Entwicklung auch über Stilbrüche hinweg aufweist, wessen "Handschrift" erkennbar ist, gehört wohl in ein anderes Jahrhundert.
Stattdessen ist unbedingtes Originell-sein-wollen demnach eine peinliche Art und Weise der Selbstbehauptung.
Offene, nicht mehr zuordenbare Formen, die sich auch tatsächlich jeder kriterialen Beurteilung entzieht, gelten nicht zufällig als Zeichen der Zeit.
Einige scheinbar Unermüdliche lassen sich immer noch und beharrlich auf Vernissagen sehen. Aber warum? Viele vermutlich nicht, um Kunst oder neues Kreatives zu erleben, sondern "Spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae.", wie es bei Ovid (Ars am. I 437) heißt, also: Sie kommen, um zu sehen, sie kommen, um selbst gesehen zu werden. In die Moderne übertragen müsste man sagen, sie kommen, um sich zu erleben und damit ihrem Selbstwert eine weitere Steigerung hinzuzufügen. Nicht der Anlass ist wichtig, sondern den Anlass wahrgenommen zu haben, gesehen zu werden, als Mitglied der Kunstgemeinde verortet zu werden. So sind auch die, welche die Künstlerin oder den Künstler und deren Werke "erklären" können, Teil des fatalen Prozesses, der der Kunst nur noch als Design oder Staffage bedarf. Wichtigkeiten entstehen in diesen Ritualen, während die Kunst im Hintergrund als Tapete fungiert.
Damit ist endgültig die Funktion der Kunst aufgehoben, die man mit Hegel so beschreiben könnte, dass auf die These über die gesellschaftliche Realität die Antithese, nämlich der künstlerische Punkt folgt, wodurch es dann zur Synthese, also zur Veränderung der Realität kommt.
Die Hyperkomplexität unserer Zeit befördert die Wandlung der Kunst zur bloßen Dekoration selbstverständlich. Folgt man der Systemtheorie Luhmanns, kann die Kunst eh nichts mehr ausrichten. "Was tun, als jemand, der sein künstlerisches Tun über alle Selbstzweifel hinweg über Jahre als immerwährenden Selbstversuch sieht? Weitermachen? Dem Affen Zucker geben? Verzweifeln? Und doch? — Es wird sicherlich Zeiten geben, in denen das heutige Kunsttheater obsolet wird. Dann kann man sich als dann schon Toter halt im Jenseits freuen, so es das gibt." JHK
nach oben
|
Gedanken zu eines Menschen Tod |
Die Nachricht, dass P. in der letzten Woche plötzlich gestorben ist, hat mich getroffen. Warum?
P. war für mich immer jemand, der unbedingt Künstler sein wollte, es aber nicht war. Ich sah ihn immer als eine tragische Figur auch in der Gruppenausstellung des letzten Sommers, an der wir beide teilnahmen. Dort traf ich ihn bei der Ausstellungseröffnung.
Da war klar zu sehen, dass er ein schwerkranker Mann war. Seine früher oft überhebliche und großsprecherische Art zu reden, war verschwunden. Er sprach schon wie jemand, der nicht mehr lange zu leben hatte. Das entsprach, wie ich es kurz drauf erfahren musste, seinem nun doch plötzlich eingetretenen Tod.
Auch sein letztes Ausstellungsstück entsprach seinem Wunsch, unbedingt Künstler zu sein. „Die wichtigen Dinge im Leben wollte ich groß darstellen, aber nicht zu bedeutend, deshalb lieber nur auf einer kleinen Fläche – da wirken sie immer noch grandios. Und als großer Künstler kann ich ja auch was Kleines ganz groß malen.“ (sein Katalogtext 2016).
Unser letztes Gespräch ist mir sehr präsent. Es begann von meiner Seite deutlich distanziert und änderte sich beeindruckt von seinem Kranksein zu einem dann doch guten. Die schwere seiner vielen Krankheiten, die er mir darlegte, wollte ich ihm so recht nicht glaube, wie ich ihm immer schon seinen großen Worte nicht glaubte. - Mist! Es stimmte, was er sagte. Was stimme schon früher?
Nun trauere ich um ihn als Mensch, der er war und den ich zu kennen glaubte, und besonders um meine Arroganz. Gerade, weil ich immer an meinen Fähigkeiten als Künstler zweifele, sollte ich andere nicht geringschätzen. Ich werde ihn, wie er vor der Eröffnung in der Sonne saß – Es war so. – in Erinnerung halten und den Satz befolgen „De mortibus nisi nihil bene“ – Über die Toten nichts, wenn nicht nur Gutes.
Er möge mir verzeihen, wenn er es auch nicht mehr kann.
Das habe ich sehr nachdenklich aufschreiben wollen.
nach oben |
Konzept zum krestiven Malen mit Schmerzpatienten |
Gedanken malen – „painture automatic“
Schmerzpatienten und deren Schmerzgenese
Der Begriff Chronisches Schmerzsyndrom bzw. chronische Schmerzkrankheit beschreibt einen Schmerz, der seine eigentliche Funktion als Warn- und Leithinweis verliert und einen selbständigen Krankheitswert erhält. Chronische Schmerzen führen in der Regel zu einer Erniedrigung der Schmerzschwelle sowie zwangsläufig zu psychopathologischen Veränderungen und einer Belastung des persönlichen sozialen Umfelds.
Schmerzen sind folglich in ihrer Stärke objektiv nicht messbar. So ist die Einschätzung der Schmerzstärke zwischen 1 und 10 ausschließlich vom persönlichen Schmerzempfinden, dem Zeitpunkt, der Gestimmtheit und einer weiteren Vielzahl von Faktoren abhängig. Bei der Betrachtung von Patienten handelt es sich hier ausschließlich um Menschen, die unter dauerhaften schmerzen unterschiedlicher Intensität leiden. Unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension ist davon auszugehen, dass ein chronisches Schmerzsyndrom entsteht, wenn Schmerzen länger als sechs Monate (heute eher: länger als drei bis sechs Monate) bestehen. Alternativ wird chronischer Schmerz gelegentlich ohne konkreten Zeitrahmen definiert als Schmerz, der über die zu erwartende Zeitdauer zur Heilung anhält.
In der Regel entstehen chronische Schmerzen im Zuge einer Erkrankung und dauern darüber hinaus an. Allerdings können sie auch ohne erkennbare temporäre Zusammenhänge entstanden sein. Problematisch ist, dass Schmerzstörungen häufig entweder körperlichen Ursachen oder psychischen Ursachen zugeschrieben wurden. Chronische Schmerzstörung können somatische und/oder psychische Faktoren haben, mit der wissenschaftliche Erkenntnisse über die vielfältigen Ursachen chronischer Schmerzen, dass diese nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf psychischer Ebene abgebildet werden können. Welcher der beiden Faktoren der für den Verlauf wichtigere ist, kann nur selten unterschieden werden.
Bei chronischen Schmerzen, vor allem bei chronischen Rückenschmerzen, ist neben der sehr effizienten und unmittelbar ursachenbezogenen Physiotherapie auch die sowohl ressourcen- als auch zeitintensivere multimodale Schmerztherapie (MMST) heute ein zunehmend von den privaten und gesetzlichen Krankenkassen anerkanntes Behandlungsverfahren. Dabei werden unter anderem die Bausteine medizinische Therapie, umfassende Information und Schulung des Patienten, körperliche Aktivierung, Psycho- und Verhaltens- und Ergotherapie miteinander kombiniert. Neben ärztlichen Schmerzspezialisten arbeiten bei der Behandlung auch psychologische Schmerztherapeuten, speziell geschulte Physiotherapeuten, das Pflegepersonal, Sozialarbeiter, Kunst- oder Musiktherapeuten fachübergreifend zusammen, um chronische Schmerzen zu lindern bzw. die Lebensqualität der chronischen Schmerzpatienten zu steigern. (Überwiegend aus Wikipedia entnommen/zitiert https://de.wikipedia.org/wiki/Chronisches_Schmerzsyndrom)
Schmerzgewöhnung – Schmerzvermeidung – Schmerz vergessen
„Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die nicht allein von den neuronalen Signalen aus den Schmerznervenfasern an das Gehirn bestimmt wird. Vielmehr sorgen z. B. Filterprozesse unseres Zentralnervensystems dafür, dass eine körperliche Schädigung nicht zwangsläufig zu Schmerz führt (. . . z. B. werden Verletzungen während eines Verkehrsunfalls, Wettkampfes, im Gefecht oder beim Geschlechtsverkehr oft nicht bemerkt) und umgekehrt Schmerzen auch ohne körperliche Schädigung bestehen können (z. B. Phantomschmerz). Darüber hinaus ist die subjektive Schmerzwahrnehmung, und dies insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen, stets von kognitiven und motivationalen Einflüssen geprägt.
Schmerzzustände sind für den Körper erlernbar. Wiederholt auftretende Schmerzen führen dabei zu intensiverem und längerem Schmerzempfinden, einem so genannten Schmerzgedächtnis, da dabei die Schmerzschwelle herabgesetzt wird. Deshalb ist eine frühzeitige und ausreichende Schmerzbekämpfung mit Medikamenten oder durch andere geeignete Verfahren wichtig. . . . Ein umfassendes, interdisziplinäres Schmerzmanagement ist entscheidend.“ (Wikipedia: Schmerz https://de.wikipedia.org/wiki/Schmerz)
Es gibt unterschiedlichste Formen, Schmerzen zu vermeiden. Bei chronischen Schmerzen müssen dafür bestimmte eingeübte Verhaltensformen, Medikamentierung, Reaktionsmaßnahmen auf beginnende Schmerzen, entspannende Maßnahmen etc. entwickelt und angewandt werden. Folglich gibt es auch Situationen, die da als Schmerz auslösend bekannt, wenn möglich, gemieden werden sollten.
Bekannt ist, dass bei abgelenkter Aufmerksamkeit (auf den Schmerz) Schmerz plötzlich nicht mehr wahrgenommen/empfunden wird. Beispiel: Ein Gang durch den Wald mit der auf Wahrnehmung einzelner verschiedener Vogelstimmen ausgerichteten Aufmerksamkeit führt dazu, dass selbst heftige Schmerzen zeitweise nicht mehr wahrgenommen werden. Um so stärker ist diese Wirkung, wenn in einer emotional angenehmen Situation die intensive Aufmerksamkeit auf eine hoch motivierende Tätigkeit gerichtet ist. Genau das geschieht beim Malprozess. Da die Aufmerksamkeit auf die technische, farb- und materialästhetische sowie den körperlich-handwerklichen Prozess gerichtet ist, bleibt „keine Ressource“ mehr für die Schmerzwahrnehmung. – Da ich seit Jahren zeichnerisch und malerisch tätig bin und durch „meinen Freund“ Morbus Bechterew zwar körperlich und eben auch durch Schmerzen eingeschränkt bin, stelle ich immer wieder fest, dass beim intensiven Zeichnen und Malen über lange Zeit keine Schmerzempfindungen „vorhanden“ sind und die Letztgenannten sich erst in sog. „Hängeprozessen“ zurückmelden.
Diese „Schmerzvergessen“ führt neben den anderen Prozessen beim Malen – dazu später mehr – zum Durchbrechen des Teufelskreises „Immerschmerz“ und schafft Vergessensräume, nämlich das Aufheben der Dauerschmerzempfindung als Möglichkeit, „schmerzfreie Zonen“ zu erleben und zu erlernen. – Es erübrigt sich, hier anzumerken, dass andere Therapieformen wie Medikamentierung, Physiotherapien und Entspannungsübungen notwendig dazu gehören. Aber das sich in kreative Tätigkeiten Versenken bringt – und das wäre wenig – nicht nur Schmerzlosigkeit, sondern schafft prozessuales Erleben und Tätigkeiten, die (plötzlich) ungeahnte Fähigkeiten aufdecken und neue Wege zu bislang Unbekanntem aufdecken. Neben dem Schmerzvergessen kommt also eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Schmerzvermeidung, im besten Falle auch des Schmerzvergessens, bzw. der Schmerzbewältigung hinzu.
Automatisches Malen – Gedanken malen – „painture automatique“
Der „horror vacui“ (die Angst vor der leeren Leinwand, dem leeren Blatt) ist wohl jedem bildenden Künstler, auch mir, bekannt. Um so stärker macht sich diese Furcht vor dem Beginn bei Menschen bemerkbar, die es nicht gewohnt sind zu malen oder zu zeichnen. Es gibt es verschiedene Möglichkeiten, ins erfolgreiche bildnerische Arbeiten zu kommen.
Beispielhaft sie hier auf den berühmten informellen* Maler Emil Schumacher hingewiesen. Er lebte von 1912 bis 1999 in Hagen und war nach dem 2. Weltkrieg Mitglied der Künstlervereinigung „Junger Westen“.
*Der Begriff Informel bezeichnet „keinen einheitlichen Stil, sondern charakterisiert eine künstlerische Haltung, die das klassische Form- und Kompositionsprinzip ebenso ablehnt wie die geometrische Abstraktion“. Konstitutiv ist das „Prinzip der Formlosigkeit“ im „Spannungsfeld von Formauflösung und Formwerdung“. Der Begriff fasst verschiedene abstrakte Strömungen der europäischen Nachkriegskunst zusammen. Nach Rolf Wedewer (Zitate hier von demselben) umschließt er „zwei differente Ausdruckweisen – das Gestische und die Texturologien“
Warum jetzt die Begriffsklärung? Das informelle Arbeiten erlaubt dem Künstler, sich ähnlich der „ecriture automatique“, dem ungesteuerten Gedankenschreiben (siehe den Surrealisten Andre Breton) von Beginn an dem Malprozess hinzugeben, ohne bewusst zu steuern. So mochte auch Emil Schumacher die leere Leinwand nicht. Er warf Farbpigmente darauf oder lief über sie hinweg, so dass sie „verschmutzt“ wurde. Aus diesen Spuren entwickelte sich dann beinahe unwillkürlich das weitere Bild. Nun war es allerdings nicht so, als geschehe das wie von selbst. Voraus geht eine lange künstlerische Erfahrung und eine profunde Kenntnis künstlerischer Techniken.
„Ich bin nicht kreativ.“ – „Ich kann schon gar nicht malen.“
Zur Angst vor der Leere des Blattes kommt oft noch, dass, durch welche Erfahrungen auch immer, viele Menschen meinen, völlig unkreativ zu sein. Nicht selten sind diese Erfahrungen negativ, da ihnen irgendwann bedeutet wurde, dass ihr „Malprodukt“ Mist sei. Das baut Ängste und Abneigungen auf. Nicht jeder Mensch ist ein Bildender Künstler. Aber jeder Mensch hat unterschiedliche kreative Potentiale. Dazu kann auch gehören, dass diese im Bereich des Malens zum Beispiel noch nicht gefunden sind, da eigene Vorstellungen vom Bild von den eigenen, bislang unentdeckten Möglichkeiten abweichen.
Abbau bzw. Vermeidung von Malhemmnissen
Den weiter oben beschrieben Prozess zum Abbau von „Malängsten“ kann man ebenso mit einfachen Mittel initiieren. Um z.B. auf einem großen Papierbogen Strukturen zu erzeugen, die zum Weitertun anregen, kann man die Frottagen (Durchreibetechnik) nutzen, indem man gefaltetes Papier darunter legt und deren Höhungen mit Grafit durchreibt ( Prozess-Fotos). Die sich durchreibenden Kanten des gefalteten Papiers bilden nach mehreren Richtungswechseln geometrische Strukturen sog. Mehrecke ab. Die können durch angesetzte Schraffuren mit Pastellkreiden malerische Bildwirkungen erzeugen. Wichtig ist, die Schraffuren in nur eine Richtung auszuführen, um den Betrachter nicht zu verwirren oder zuviel Seharbeit von ihm zu verlangen. Die Pastellkreiden können durch Verreiben auf dem Blatt gemischt werden und verstärken so die malerische Wirkung. Manche Kreiden sind vermalbar, so die Ölpastelle wie „Jaxon“ mit Balsamterpentin oder die Pastellkreiden mit anderem Bindemittel wie „Jaxell“ mit Wasser.
Diese Vorgehensweise kann mit unterschiedlich gestalteten Schablonen variiert werden. So können Wellen und Kreise unterschiedlicher Größe und, und, und geschnitten werden und natürlich unterschiedliche Bildmotive erzeugen.
Die unterschiedlichen Techniken des Gedanken Malens
Eine andere Möglichkeit; Malprozesse zu initiieren ist das Malen nach Gedanken. Die Vorbereitung hierzu wäre, unterschiedliche einfache Techniken zu demonstrieren und damit darzulegen, mit welch geringen Mitteln und Arbeitsschritten sehenswerte Ergebnisse erzielt werden können. Eine Grundvoraussetzung ist, in einer anregenden und entspannten Umgebung mit viel Zeit zu arbeiten. Bestens dazu geeignet sind Ateliers bildender Künstler, die in der Regeln durch vorhandene Bilder, durch die Vielzahl von Malmaterialien und oft auch durch kreative Unordnung anregend wirken, angesehen davon, dass unbeabsichtigte Farbkleckse kein Drama darstellen. Während des Malens stellt ruhige, allerdings strukturierte Musik* einen anregenden Hintergrund dar; auf keinen Fall aber Meditationsmusik, welche oft durch Eintönigkeit eher unruhig denn entspannt macht.
Musikbeispiele:
Unser Frontallappen malt mit
Wer sich über genauer und zwar verständlich informieren möchte, lese das empfehlenswerte Buch „Irren ist nützlich, Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind“ von Henning Beck. Dieser Biochemiker und Neuroforscher hat im „Science Slam“ gelernt, wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse verständlich für Laien und Wissenschaftler in kurzer Zeit attraktiv darzustellen. Das bildete das Rüstzeug, um wissenschaftsjournalistisch Neurowissenschaften in Bücher zu schrauben. Also, das Buch ist allemal lesenswert.
nach oben |
|